Storchenbiss (Nävus Unna) – Ursache, Entwicklung, Wortschöpfung

Kaum ist das Baby zur Welt gekommen, durchfährt die Eltern ein Schreck: Im Nacken des Kleinen prangt ein großer roter Fleck! Auf besorgte Nachfrage erwidert die Hebamme mit geheimnisvollem Lächeln: „Das ist der Storchenbiss.“ Macht sie Scherze oder möchte sie eine unangenehme Information verschleiern? Weder noch. Die Zeichnung am Hals des Säuglings heißt tatsächlich so – und ist vollkommen harmlos. Wie der Storchenbiss entsteht, wie es zu der Bezeichnung kam und wie er sich entwickelt, erfahren Sie in diesem Fachartikel.

Was ist ein Storchenbiss?
Ursache
Entwicklung
Wortschöpfung

Kurzbeschreibung

Den so genannten Storchenbiss zeigen 60-70 Prozent aller Neugeborenen. Er hat seine Ursache in erweiterten Blutgefäßen. Sie färben einen bestimmten Bereich der Nackenhaut hell- bis dunkelrot; haben jedoch keine Auswirkung auf das Wohlbefinden des Babys. Es spürt den Storchenbiss gar nicht, denn er bereitet weder Schmerzen noch Probleme.

Im Laufe der ersten Lebenswochen kann sich der Farbton des auffälligen Mals intensivieren; doch innerhalb der nächsten 12 Monate wird es immer mehr verblassen und kaum noch zu sehen sein. Bei vielen Kindern verschwindet der Storchenbiss bis zum zweiten Geburtstag sogar ganz und bleibt allenfalls durch Familienfotos in Erinnerung.

Was aber hat es mit der Verfärbung auf sich? Warum zeigt, ändert und verflüchtigt sie sich? Und vor allem: Ist der Storchenbiss wirklich so harmlos wie oben dargestellt oder wird er seiner Bezeichnung nicht doch irgendwie gerecht?

Ursache

Ganz so märchenhaft wie seine Bezeichnung vermuten lässt, ist der Storchenbiss nicht. Er ist der sichtbare Beweis einer medizinisch indizierten Fehlbildung der Gefäße bzw. ihrer Nervenfasern. Da diese die winzigen Blutleitungen in der Haut nicht ordnungsgemäß verengen können, ist der Durchfluss dort dauerhaft erhöht. Dieser Umstand macht sich als starke Rötung auf der Hautoberfläche bemerkbar.

Im Grunde genommen ist der Storchenbiss also ein Symptom. Er zeigt eine Gefäßerkrankung an, die erhöhte Blutfluss-Werte bedingt – und behandelt werden kann. Da sie jedoch keine Auswirkung auf die Funktionalität des Organismus hat, raten Mediziner von einer Therapie des Storchenbisses ab. Sofern sich die Zeichnung normal entwickelt, besteht kein Grund zur Sorge.

Entwicklung

Zu dieser Erkenntnis kamen auch die beiden Ärzte, die das charakteristische Mal erstmals wissenschaftlich untersuchten. Von ihren Nachnamen leitet sich die Alternativ-Bezeichnung Nävus Unna-Politzer bzw. Unna-Politzer-Nackennävus ab. Wobei das Wort Nävus für „gutartige Fehlbildung“ steht und anzeigt, zu welcher Gruppe von Erkrankungen der Storchenbiss gehört.

Er ist eine besondere Form des Nävus flammeus, welches der Volksmund auch als Feuermal kennt. Im englischen Sprachraum existiert dafür der Begriff „port wine stain“ – zu Deutsch: Portweinfleck. Beides spielt auf die unregelmäßige Form und die Farbe der Hautzeichnung an.

Anders als ein „klassisches“ Feuermal ist der hier beschriebene Storchenbiss meist schon bei der Geburt zu sehen. Nur in seltenen Fällen rötet sich der Nacken erst nach einigen Tagen. Doch unabhängig von dieser Ausgangssituation entwickelt sich der Fleck bei allen betroffenen Babys gleich:

Seine Ausmaße sind von Anfang an erkennbar und ändern sich höchstens geringfügig. Auch dadurch unterscheidet sich der Storchenbiss von einem Feuermal an anderer Stelle des Körpers. Seine Größe variiert zwischen wenigen Millimetern und bis zu zehn Zentimetern, so dass ein Nävus Unna die gesamte Nackenfläche des Säuglings bedecken kann – und gelegentlich sogar darüber hinaus ragt.

Wie bei jedem Feuermal sind auch beim Storchenbiss Farbänderungen möglich. So kann ein anfangs blassroter Fleck seinen Ton beibehalten oder innerhalb weniger Stunden kräftig- bis blaurot erscheinen.

Wortschöpfung

Ein Wandel, der zu zahlreichen Fehldeutungen der Zeichnung führte. Weil besonders dunkel gefärbte Male an die Spuren von Gewalt erinnern, wurden sie oft mit Blutergüssen gleichgesetzt – und entsprechend interpretiert. Doch ein Storchenbiss basiert weder auf Schlägen noch auf Stößen und erst recht nicht auf dem Einsatz von Geburts-Hilfsmitteln – auch, wenn viele Ammenmärchen genau das als Ursache des Nävus Unna nennen.

Wie viel schöner klingt da die Herleitung vom Griff in den Nacken, um das Baby aus dem Teich zu fischen. Obwohl – oder gerade weil – die Vorstellung herrlich absurd ist: Der europäische Weißstorch, auf dem die Legende vom „Kinderbringer“ fußt, wiegt selbst nur 3,5 kg – und dürfte mit fast ebenso schweren Säuglingen ziemliche Probleme haben.

Vielleicht zeigen manche Kinder deshalb einen besonders kräftig wirkenden „Storchenbiss“. Die genauen Gründe für die unterschiedliche Ausprägung der Male können Wissenschaftler nämlich nicht benennen. Sie bleiben ein kleines Geheimnis der Natur und liefern Stoff für die wohl niedlichste Erklärung zur Gefäß-Fehlbildung.